25 Jahre Mauerfall – 25 Jahre geteilte Geschichte

Hervorgehoben

Projektname: 25 Jahre Mauerfall – 25 Jahre geteilte Geschichte. Migrant_innen aus Ost und West erinnern sich.

Projektpartner: Arbeitsstelle Diversität – Migration – Bildung an der Leibniz Universität Hannover, Vietnam-Zentrum-Hannover e.V., Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V., Freundeskreis Lokal-Radio Hannover e.V. (Radio Flora), MISO-Netzwerk Hannover e.V., LAMSA Sachsen-Anhalt e.V., Stiftung Leben & Umwelt, Landeshauptstadt Hannover, Historisches Museum Hannover, Region Hannover

Projektkoordination: Netzwerk „Erinnerungswerkstatt“ an der Leibniz Universität Hannover

Ort: Hannover

Datum der Durchführung: 2013–2015

Standorte: Hannover und Magdeburg

Mitwirkende: Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Hannover und Sachsen-Anhalt

Zielgruppen: Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte, Menschen, die den Mauerfall miterlebt haben und junge Leute, für die der Mauerfall ein Kapitel aus dem Geschichtsbuch ist.

Themen: Erinnerung und Zugehörigkeit, Repräsentanz und Teilhabe, Einwanderung in die DDR, Einwanderung in die BRD vor 1990, Einwanderung in das vereinte Deutschland nach 1990

Projektbeschreibung: Auch 25 Jahre nach dem „Mauerfall“ ist die migrantische Perspektive auf die Jahre des Umbruches 1989/1990 und die gesellschaftlichen Veränderungen im gesellschaftlichen Diskurs kaum präsent. Die Vereinigung beider deutscher Staaten wird als eine „deutsche“ bzw. „ost- und westdeutsche“ Angelegenheit wahrgenommen. Die Sichtweisen von Migrant_innen, die damals in Ost und West gelebt haben, sind bisher nicht in das kollektive Gedächtnis eingegangen. Anliegen des Projektes war, diese Leerstelle zu thematisieren und Impulse zu setzen:

  • einen Raum zu schaffen, in dem die ungehörten Geschichten und Erinnerungen von Menschen mit Migrationshintergrund zu Wort kommen
  • am Beispiel „Mauerfall“ die beiden migrantischen Perspektiven Ost und West miteinander zu verbinden und einen „blinden Fleck“ in der Öffentlichkeit zu thematisieren
  • die Teilhabe von Migrant_innen an der kollektiven Erinnerung zu fördern
  • das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Menschen aus verschiedenen Generationen und Herkunftsgeschichten zu stärken
  • national geprägte Denkmuster zu reflektieren und damit Rassismus entgegen zu wirken
  • diese Zeitgeschichte nachhaltig zu dokumentieren

Im Mittelpunkt des Projekts stand eine Tagesveranstaltung im Historischen Museum Hannover (11.10.2014). In vier Erzählcafés gaben Menschen aus Einwandererfamilien Auskunft über ihre Erlebnisse und Einschätzungen zu dieser gesellschaftspolitischen Umbruchsituation. Dabei kamen Menschen zu Wort, die damals in der DDR bzw. in der BRD gelebt haben. Thematische Schwerpunkte waren z.B. Arbeit(markt)einwanderung, die Situation von Frauen sowie das Leben im Exil. Ein besonderer Akzent lag auf den unterschiedlichen Bedingungen der Einwanderung der Vietnames_innen. Im Abschlussgespräch wurde die Frage diskutiert, wie die Erinnerungen der Menschen mit Migrationsgeschichte zu einem Teil des gemeinsamen Gedächtnisses werden können und wie sich das in einem Museum spiegeln kann.
Flyer der Tagung zum Thema “25 Jahre Mauerfall – 25 Jahre geteilte Geschichte” (PDF)

Das Projekt wurde umfassend dokumentiert durch Video- und Audiomitschnitte, qualitative Zeitzeuginnen-Interviews durch Studierende der LUH und anschließende Veröffentlichungen. So bleibt ein Stück Zeitgeschichte erhalten.

  • Podcasts von radio flora:
  • 25 Jahre Mauerfall – Erzählcafé „Frauen in Ost und West“ & „Arbeit und Alltag“. In: Journal, Welt in Hannover; Rückblick auf die Tagungsveranstaltung von Suvar Düşmezer
  • Frau Ha und der Mauerfall. In: Journal, Welt in Hannover; Erzählcafés & Geschichte einer Nordvietnamesin
  • Ohne Moos nix los. In: Journal, Welt in Hannover; Bericht über Podiumsdiskussion zum Thema „Repräsentanz und Gleichstellung“ am 11. Oktober 2014
  • Mauerfall mit Migrationshintergrund. In: Deutschland Archiv, Bundeszentrale für politische Bildung; Besprechung von Irmhild Schrader und Anna Joskowski

Das Projekt reiht sich ein in eine Vielzahl von Aktivitäten, die die Erinnerungswerkstatt seit 2008 mit unterschiedlichen Kooperationspartnern in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt durchgeführt hat. Besonders zu erwähnen ist hier der Fachtag 2010 in Magdeburg, bei dem auch die mediale Darstellung der „Deutschen Einheit“ beleuchtet wurde.

Mauerfall mit Migrationshintergrund – Interview mit Gabriela

Impressionen aus dem Interview mit Gabriela, geboren in Griechenland, 1978 zum Studium in die BRD gekommen & heute als Übersetzerin tätig

Die ersten Eindrücke
Ich bin alleine hierher gekommen. Hab aber auch sehr viele Freunde hier gefunden, über die Universität. Es gab ganz viele, ganz tolle Leute, auch viele, die mir sehr geholfen haben, bei der Eingliederung hier in dieser Gesellschaft. Schlecht waren eher so die formellen Sachen. Ich musste zum Ordnungsamt, und das war ganz furchtbar. Also heute wäre es nicht möglich, sich Ausländern gegenüber so zu verhalten. Also ich habe viele positive Erfahrungen gesammelt, weswegen ich auch immer noch hier bin.

Und heute
Ich bin gerne hier. Ich fühle mich in der Gesellschaft angekommen und wenn Feindlichkeiten da sind, dann kann ich mich auch dazu äußern. Ich würde sagen, ich fühle mich wie eine Europäerin, die vielleicht mehrere Nationalitäten hätte, also nicht nur deutsch und griechisch. Und ich sehe auch, wie meine Kinder damit umgehen, also sie sagen nicht, der ist aus der Türkei oder aus Schweden oder aus dem Libanon oder aus Asien. Die sprechen irgendwelche Namen. Also ich finde die Kinder in diesem Alter, jetzt 16 – 18 Jahre alt oder jünger, die gehen ganz locker damit um, wenn man von zu Hause aus keine Ausländerfeindlichkeit schürt.

Über den Mauerfall
Also mein Vater war ein überzeugter Kommunist und ich hatte keine negative Meinung vom Sozialismus in der DDR, aber was mich damals total gewundert hat, bevor die Mauer fiel, war wie die Leute über die Ostdeutschen gesprochen haben. Und dann schicken sie solche Benefits Richtung Ostdeutschland – das fand ich komisch.
Ich hab gehört, dass die Mauer fiel, aber was das bedeutet für Westdeutschland, das hab ich nicht richtig realisiert. Ich fand es schon irre, wie sie auf die Straße gingen und feierten und das fand ich schon toll. Ich hab das als eine Verbrüderung zwischen zwei Völkern, die auseinander gerissen wurden, gesehen. Also wir hatten sieben Jahre Diktatur und ich weiß noch wie, welche Freude auf den Straßen gefeiert wurde, an dem Tag als die Diktatur fiel. 1974. Daran erinnerte mich das ein bisschen.

Die Ostdeutschen im Westen
Als die vielen Ostdeutschen nach Westdeutschland kam, hab ich auch gesehen, was das bedeutete.
Ich empfand, dass diese Ostdeutschen hier genauso aufgenommen wurden wie Ausländer. Das waren für mich Menschen, die auch wirklich entwurzelt wurden, auch wenn sie zunächst gerne nach Westdeutschland kamen. Die hatten auch ihre alten Erinnerungen an ihre Heimat. Ich hab mich mit ihnen teilweise identifiziert, ehrlich.
Ich empfand die Ostdeutschen als sehr bescheidene Menschen, was mir gut gefallen hat. Ja, sie hatten noch etwas Authentisches. Und die Westdeutschen, also wenn die nur den Lokalkolorit, also den Dialekt hörten, haben sie sie dann gleich so abgestempelt.

Was Besonderes aus der DDR
Die Situation der Frauen in Ostdeutschland war besonders. Sie haben ja alle die Möglichkeit gehabt, ihre Kinder zum Hort zu bringen und den ganzen Tag zu arbeiten und ich empfand diese Frauen als feministischer als die Frauen in Westdeutschland.

Transkription des kompletten Interviews mit Gabriela (PDF)

Zurück zur Überblicksseite »Mauerfall mit Migrationshintergrund«

Mauerfall mit Migrationshintergrund – Interview mit Maria (Mexiko)

Impressionen aus dem Interview mit Maria, geboren in Mexiko, von Beruf Sekretärin und 1984 wegen Heirat in die BRD gekommen

Die ersten Eindrücke
In der ersten Zeit war es sehr sehr negativ. Die Leute waren zu Ausländern sehr, wie soll ich sagen? Sie wollten mich nicht verstehen. Ich musste mich alleine durch kämpfen. Die Nachbarn waren sehr nett und haben mir sehr viel geholfen, die Familie nicht so. Das ging so bis ich in einen Kurs für Deutsch ging und da habe ich viele Italiener getroffen. Das waren meine ersten Freunde und dann später kamen die Mexikaner, die Freundschaften bestehen heute noch.
Ich denke, viele wussten, wo Mexiko ist, aber die wussten gar nicht welche Leute da leben. Oder meine Schwiegermutter z.B. sagte, sie hat im Fernsehen gesehen, dass die Leute ohne Schuhe gehen und arme Leute sind. Sie kannten gar nicht die andere Seite. Ich komme ja aus einer großen Stadt mit Geschäften, die auch sonntags offen waren. Wir kommen aus der Dritten Welt, aber es war dort glaube ich besser.
Es war sehr schwer, neue Kontakte zu knüpfen. Es ist nicht wie in Mexiko. Du bist gleich mein Freund, komm essen und trinken und das. Aber ausländerfeindlich – das hat nicht nur mich getroffen, sondern auch andere.

Und heute
Ich habe ganz schnell auch Arbeit gefunden, in einer Fleischerei. Ich kann kein Deutsch, hab ich gesagt, kein Problem, solange ich das mache, wie sie mir das zeigen. So hab ich gelernt. Ich lebe jetzt hier 30 Jahre und nehme die Leute, wie sie sind. Wenn ich sehe, dass jemand ein bisschen zurückhaltend ist, dann ich drehe mich um und es interessiert mich nicht mehr. Jeder hat seine Persönlichkeit. Deutschland ist mein zu Hause jetzt. Und ich bin sehr pünktlich. Wir leben beide Traditionen, die deutsche und die mexikanische. Deutschland finde ich jetzt schön. Viele Blumen, die Leute im Garten, alles hier gibt es und alles ist grün. Also ich denke auch, man kann nicht immer von den Erinnerungen leben. Ich sehe mehr von Heute und der Zukunft.

Über den Mauerfall
Vom Sozialismus wusste ich nicht viel, nur über den Fernseher. Für mich war sehr traurig, dass die Menschen nichts kaufen konnten oder lange warten mussten, bis sie etwas bekommen.
Vom Mauerfall hab ich über das Fernsehen mitbekommen und mein Mann hat manchmal übersetzt. In Wolfsburg haben die Menschen alles leer geräumt, es war richtig Stimmung. Ich hab auch viel geweint, weil ich es nicht glauben konnte. So hab ich mich mit Deutschland verbunden gefühlt, weil mein Mann war Deutscher.

Die Ostdeutschen im Westen
Die Leute haben geweint und waren glücklich und die in der Nähe von der Grenze, die haben viel geholfen und haben Wasser gegeben und Essen. Aber dann, das hat mich auch überrascht, weil viele waren dagegen. Man konnte sehen, dass viele gar nicht nett waren, z.B. die Verkäuferinnen, die haben sich umgedreht. Man hat sie wie Ausländer quasi behandelt. Aber ich rede mehr von den älteren Leuten. Aber die DDR-Bürger… viele wurden ja auch von ihren Familien getrennt, es waren ja welche im Osten und auch im Westen.
Viele Deutsche sagen nach dem Mauerfall, es war nicht mehr das Gleiche. Man konnte nur einen Schuh vorm Geschäft lassen, weil sonst wären beide weg. Und ich denke, es war nicht wegen dem Mauerfall, weil hier im Westen, da sind viele Leute, die nehmen was ihnen nicht gehört.

Was Besonderes aus der DDR
Die Leute hatten viel Angst, aber die waren ganz anders als die Deutschen vom Westen. Ich denke die haben auch, wie in Mexiko, viel zusammen gemacht, die Familien waren immer zusammen. Und wir bezahlen jetzt Solidaritätssteuer. Ich hab gehört, es musste für eine kurze Zeit sein, aber es sind jetzt viele Jahre, und ich weiß nicht, wofür das Geld ist.

Transkription des kompletten Interviews mit Maria (PDF)

Zurück zur Überblicksseite »Mauerfall mit Migrationshintergrund«

Mauerfall mit Migrationshintergrund – Interview mit Sarah

Impressionen aus dem Interview mit Sarah, geboren in Italien und 1973 als Kind einer Gastarbeiterfamilie in die BRD gekommen, heute Geschäftsfrau

Die ersten Eindrücke
Wir waren sehr euphorisch und neugierig, Deutschland kennenzulernen, die Traurigkeit kam später: Ohne die sizilianische Sonne, das Meer, das Gelb von den Zitronenbäumen. Was mich beeindruckt hat war, dass ich viele Leute getroffen habe, die aus verschiedenen Orten aus Italien kamen, ein Ghetto, eine italienische Familie. Die wussten, wo man einkaufen konnte und dass Kartoffeln das typische deutsche Gericht waren. Heute sage ich ganz ehrlich, es wäre besser gewesen, wenn wir zwischen deutschen Familien gewohnt hätten. Kontakt zu deutschen Freunden kam später. Und mit der Schule? Katastrophe, ich war im Rabenberg in einer Integrierungsschule, alles italienisch, da hab ich deutsch erst spät gelernt. Hänselei gab es so bisschen. Aber wir haben das nie so wirklich ernst genommen. Bei der Arbeit hab ich Glück gehabt, dass bei der Commerzbank Personal gesucht wurde. Aber heute sage ich, es wäre besser gewesen, wenn ich damals eine Ausbildung gemacht hätte.

Und heute
Ich vermisse Treffen auf der Piazza, italienische Geschäfte, ich lebe hier, seit wie vielen Jahren, es ist schön, aber ich habe sizilianisches Blut. Wenn ich natürlich einen Lebensstandard hätte in Italien wie hier, würde ich es machen, gehen, sage ich ganz ehrlich. Das tut mir wirklich leid, dass so ein Land, so ein schönes Land nicht in der Lage ist, auch eine gute Regierung zu haben. Aber heute sage ich immer, wir sind froh, hier zu sein und dass es uns so gut geht. Wir haben natürlich auch was dafür getan, mein Mann und ich. Wir haben uns selbständig gemacht mit Wein. Er hat hier wirklich was hinterlassen und deswegen gehen wir weiter. Das ist unsere Existenz. Meine Kinder.

Über den Mauerfall
Die DDR und der Sozialismus – nein, da war ich zu jung und das hat mich kaum interessiert. Wir haben gesehen, dass da viele Deutsche rüberkamen. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich habe mich sehr gefreut. Wir haben bisschen die Geschichte verfolgt von diesen Menschen, wie traurig das Ganze war. Als diese Mauer gefallen ist, fand ich das sehr schön, dass die Familien wieder zusammen waren. Sicherlich dann hat man gehört, jetzt muss Republik Deutschland viel Geld zahlen. Aber gut, was soll ich dazu sagen. Wir haben nur gehört damals, dass, Kohl war das, er gesagt hat im Fernsehen, ich werde euch zusammen bringen. Aber ein Stück von der Mauer wollten wir haben.

Die Ostdeutschen im Westen
Damals habe ich in der Sparkasse gearbeitet und jeder sollte 100 DM bekommen. Und da waren schlangenweise Leute in der Sparkasse, die das Geld ausgezahlt bekamen. Und ich kann mich erinnern, dass viele auch bisschen sauer waren.
Man hat gesehen, die Leute waren anders. Man merkte, dass diese Leute gelitten hatten. Schön fand ich auch diesen Akzent. Und ich fand auch sehr viele Leute, die sehr freundlich waren, z.B. da haben sie von uns den Kühlschrank gekauft und uns selbstgemachte Leberwurst mitgebracht und das fanden wir super, dass sie uns was gegeben haben, was sie selber gemacht haben. Ich schätze diese Leute sehr. Ich habe viele kennengelernt und ich muss sagen, diese Leute tun viel.
Einmal kamen Leute aus der Partnerstadt von Pesaro Urbine und man hat ihnen die Grenze gezeigt, da fing die Frau von dem Direktor der Sparkasse an zu weinen und zu sagen, wie schlimm das war, wo sie alle getrennt waren.

Was Besonderes aus der DDR
Positiv finde ich, dass wir in die neuen Bundesländer reisen können. Wir haben uns gefreut, mal andere Orte kennenzulernen.

Transkription des kompletten Interviews mit Sarah (PDF)

Zurück zur Überblicksseite »Mauerfall mit Migrationshintergrund«

Mauerfall mit Migrationshintergrund – Interview mit Olga

Impressionen aus dem Interview mit Olga, geboren in Polen (Schlesien) und 1981 als Erwachsene zu ihrem Vater in die BRD gekommen, heute Rentnerin

Die ersten Eindrücke
In Breslau war das so, immer wenn ich einkaufen gegangen bin. „Schwab, was willst du hier?“ Das ist Schimpfwort auf uns. „Dein Platz ist da.“ Und da habe ich meinen Platz gesucht. Da wo mein Vater war. Und bin ich nach Deutschland gekommen und wieder. „Du Pole! Was willst du hier? Raus!“ Und ich habe gesagt: Oh Gott, was bin ich? Polen oder Deutsche oder wie? Das war traurig. Wie viele Male ich habe geweint. Da war ich Schwab, geh da wo dein Platz ist. Dann bin ich hierher gekommen. Pole. Ja.
Das war ganz schwer. Ich konnte nur paar Worte deutsch. Aber habe ich geschafft. Ich bin nach Deutschland gekommen als Rentnerin. Ich habe vom Cousin Fernsehen bekommen. Schwarz und Weiß. Und dann habe ich geguckt. Haben mich alle ausgelacht. Verstehst du kein Wort! Aber ich habe die ganze Sprache verstanden. Nach drei Monaten.
Ich kam mit dem Zug nachts und dann hab ich gleich gemerkt: das Licht ist ganz anders hier in Deutschland. Die Lampen so hell. Am nächsten Tag seh ich Auto Auto Auto Auto. Hab ich gedacht, ach, Hochzeit ist hier. Jemand heiratet, so viele Autos. Mein Cousin sagt, es heiratet keiner. Bei uns stehen jeden Tag so viele Autos.

Und heute
Welche Heimat? Ich habe zwei. Auf der Gemeinde war so eine liebe nette Frau. Die hat geholfen. Und mit der Blumenfrau hab ich Kontakt gehabt. War alles fremd. Jetzt wenn bin ich alleine, denke ich an alle Zeiten, wie ich dahin gekommen bin. Manchmal weine ich und lache ich. Zu Anfang war ein bisschen schwer. Aber das ist egal. Wo ich fahre hin, der Anfang ist immer schwer. Aber ich habe es gut gemacht.

Über den Mauerfall
Hab ich nichts gewusst. Hab nur das kleine Radio gehabt. Ich habe immer gesagt, das ist nicht gut! Deutsche hier, Deutsche da. Deutschland hier, Deutschland da. Und dann Mauer. Ich kann das nicht verstehen! Mit Polen ja! Aber nicht Deutschland und Deutschland.

Die Ostdeutschen im Westen
Viel Freude erst. Später dann ist das Begrüßungsgeld gekommen. Zweimal oder dreimal auch im Blumengeschäft. Ich kann nicht alles sagen. Ich muss sagen, ich habe jetzt viel viel positives, ist besser. Jetzt wir sind endlich alle Deutschland.

Transkription des kompletten Interviews mit Olga (PDF)

Zurück zur Überblicksseite »Mauerfall mit Migrationshintergrund«