Mauerfall mit Migrationshintergrund – Interview mit Olga

Impressionen aus dem Interview mit Olga, geboren in Polen (Schlesien) und 1981 als Erwachsene zu ihrem Vater in die BRD gekommen, heute Rentnerin

Die ersten Eindrücke
In Breslau war das so, immer wenn ich einkaufen gegangen bin. „Schwab, was willst du hier?“ Das ist Schimpfwort auf uns. „Dein Platz ist da.“ Und da habe ich meinen Platz gesucht. Da wo mein Vater war. Und bin ich nach Deutschland gekommen und wieder. „Du Pole! Was willst du hier? Raus!“ Und ich habe gesagt: Oh Gott, was bin ich? Polen oder Deutsche oder wie? Das war traurig. Wie viele Male ich habe geweint. Da war ich Schwab, geh da wo dein Platz ist. Dann bin ich hierher gekommen. Pole. Ja.
Das war ganz schwer. Ich konnte nur paar Worte deutsch. Aber habe ich geschafft. Ich bin nach Deutschland gekommen als Rentnerin. Ich habe vom Cousin Fernsehen bekommen. Schwarz und Weiß. Und dann habe ich geguckt. Haben mich alle ausgelacht. Verstehst du kein Wort! Aber ich habe die ganze Sprache verstanden. Nach drei Monaten.
Ich kam mit dem Zug nachts und dann hab ich gleich gemerkt: das Licht ist ganz anders hier in Deutschland. Die Lampen so hell. Am nächsten Tag seh ich Auto Auto Auto Auto. Hab ich gedacht, ach, Hochzeit ist hier. Jemand heiratet, so viele Autos. Mein Cousin sagt, es heiratet keiner. Bei uns stehen jeden Tag so viele Autos.

Und heute
Welche Heimat? Ich habe zwei. Auf der Gemeinde war so eine liebe nette Frau. Die hat geholfen. Und mit der Blumenfrau hab ich Kontakt gehabt. War alles fremd. Jetzt wenn bin ich alleine, denke ich an alle Zeiten, wie ich dahin gekommen bin. Manchmal weine ich und lache ich. Zu Anfang war ein bisschen schwer. Aber das ist egal. Wo ich fahre hin, der Anfang ist immer schwer. Aber ich habe es gut gemacht.

Über den Mauerfall
Hab ich nichts gewusst. Hab nur das kleine Radio gehabt. Ich habe immer gesagt, das ist nicht gut! Deutsche hier, Deutsche da. Deutschland hier, Deutschland da. Und dann Mauer. Ich kann das nicht verstehen! Mit Polen ja! Aber nicht Deutschland und Deutschland.

Die Ostdeutschen im Westen
Viel Freude erst. Später dann ist das Begrüßungsgeld gekommen. Zweimal oder dreimal auch im Blumengeschäft. Ich kann nicht alles sagen. Ich muss sagen, ich habe jetzt viel viel positives, ist besser. Jetzt wir sind endlich alle Deutschland.

Transkription des kompletten Interviews mit Olga (PDF)

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