Mauerfall mit Migrationshintergrund – Interview mit Sarah

Impressionen aus dem Interview mit Sarah, geboren in Italien und 1973 als Kind einer Gastarbeiterfamilie in die BRD gekommen, heute Geschäftsfrau

Die ersten Eindrücke
Wir waren sehr euphorisch und neugierig, Deutschland kennenzulernen, die Traurigkeit kam später: Ohne die sizilianische Sonne, das Meer, das Gelb von den Zitronenbäumen. Was mich beeindruckt hat war, dass ich viele Leute getroffen habe, die aus verschiedenen Orten aus Italien kamen, ein Ghetto, eine italienische Familie. Die wussten, wo man einkaufen konnte und dass Kartoffeln das typische deutsche Gericht waren. Heute sage ich ganz ehrlich, es wäre besser gewesen, wenn wir zwischen deutschen Familien gewohnt hätten. Kontakt zu deutschen Freunden kam später. Und mit der Schule? Katastrophe, ich war im Rabenberg in einer Integrierungsschule, alles italienisch, da hab ich deutsch erst spät gelernt. Hänselei gab es so bisschen. Aber wir haben das nie so wirklich ernst genommen. Bei der Arbeit hab ich Glück gehabt, dass bei der Commerzbank Personal gesucht wurde. Aber heute sage ich, es wäre besser gewesen, wenn ich damals eine Ausbildung gemacht hätte.

Und heute
Ich vermisse Treffen auf der Piazza, italienische Geschäfte, ich lebe hier, seit wie vielen Jahren, es ist schön, aber ich habe sizilianisches Blut. Wenn ich natürlich einen Lebensstandard hätte in Italien wie hier, würde ich es machen, gehen, sage ich ganz ehrlich. Das tut mir wirklich leid, dass so ein Land, so ein schönes Land nicht in der Lage ist, auch eine gute Regierung zu haben. Aber heute sage ich immer, wir sind froh, hier zu sein und dass es uns so gut geht. Wir haben natürlich auch was dafür getan, mein Mann und ich. Wir haben uns selbständig gemacht mit Wein. Er hat hier wirklich was hinterlassen und deswegen gehen wir weiter. Das ist unsere Existenz. Meine Kinder.

Über den Mauerfall
Die DDR und der Sozialismus – nein, da war ich zu jung und das hat mich kaum interessiert. Wir haben gesehen, dass da viele Deutsche rüberkamen. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich habe mich sehr gefreut. Wir haben bisschen die Geschichte verfolgt von diesen Menschen, wie traurig das Ganze war. Als diese Mauer gefallen ist, fand ich das sehr schön, dass die Familien wieder zusammen waren. Sicherlich dann hat man gehört, jetzt muss Republik Deutschland viel Geld zahlen. Aber gut, was soll ich dazu sagen. Wir haben nur gehört damals, dass, Kohl war das, er gesagt hat im Fernsehen, ich werde euch zusammen bringen. Aber ein Stück von der Mauer wollten wir haben.

Die Ostdeutschen im Westen
Damals habe ich in der Sparkasse gearbeitet und jeder sollte 100 DM bekommen. Und da waren schlangenweise Leute in der Sparkasse, die das Geld ausgezahlt bekamen. Und ich kann mich erinnern, dass viele auch bisschen sauer waren.
Man hat gesehen, die Leute waren anders. Man merkte, dass diese Leute gelitten hatten. Schön fand ich auch diesen Akzent. Und ich fand auch sehr viele Leute, die sehr freundlich waren, z.B. da haben sie von uns den Kühlschrank gekauft und uns selbstgemachte Leberwurst mitgebracht und das fanden wir super, dass sie uns was gegeben haben, was sie selber gemacht haben. Ich schätze diese Leute sehr. Ich habe viele kennengelernt und ich muss sagen, diese Leute tun viel.
Einmal kamen Leute aus der Partnerstadt von Pesaro Urbine und man hat ihnen die Grenze gezeigt, da fing die Frau von dem Direktor der Sparkasse an zu weinen und zu sagen, wie schlimm das war, wo sie alle getrennt waren.

Was Besonderes aus der DDR
Positiv finde ich, dass wir in die neuen Bundesländer reisen können. Wir haben uns gefreut, mal andere Orte kennenzulernen.

Transkription des kompletten Interviews mit Sarah (PDF)

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